Концепция развития судебной системы и системы добровольного и принудительного исполнения решений Конституционного Суда РФ, судов общей юрисдикции, арбитражных, третейских судов и Европейского суда по правам человека - Сборник статей
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Was die allgemeinen Vorschriften zum Zwangsvollstreckungsrecht im Abschnitt 1 neben vielen weiteren Vorschriften ganz unterschiedlichen Inhalts noch enthalten, ist insbesondere eine hypertrophe Anhäufung von Gesetzesregeln zu Vollstreckungsschutzbehelfen unterschiedlichster Art wie sie wohl nirgends ihresgleichen hat. Mehr als eine pure Aufzählung dieser Behelfe ist hier nicht möglich:
– vollstreckungsschutzantrag bei sittenwidriger Härte von Vollstreckungsmaßnahmen (§ 765a ZPO);
– Vollstreckungserinnerung gegen Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder der Gerichtsvollziehermaßnahmen (§ 766 ZPO);
– vollstreckungsabwehrklage bei Einwendungen gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch (§ 767 ZPO);
– klage gegen Vollstreckungsklausel bei Erteilungsmängeln (§ 768 ZPO);
– drittwiderspruchsklage bei die Vollstreckung hindernden Rechten Dritter am Zugriffsgegenstand (§ 771 ZPO);
– antrage auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§§ 707, 732, 769, u.a. ZPO).
Daneben gibt es Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen des Rechtspflegers wie insbesondere die Erinnerung (§ 11 RpflG). Hinzukommen ferner die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen innerhalb eines Zwangsvollstreckungsverfahrens ohne mündliche Verhandlung (§ 793 ZPO) sowie die Klage auf vorzugsweise Befriedigung bei bestehenden Pfand- und Vorzugsrechten Dritter am Zugriffsobjekt (§ 805 ZPO). Doch damit nicht genug. Die Rechtsprechung hat nämlich – teils unterstützt durch die Wissenschaft – mit Hilfe extrem extensiver Auslegungen oder freier Rechtsschöpfungen diesen gesetzlichen Wust an Behelfen noch um weitere bereichert wie etwa um Gegenvorstellungen, Anhörungsrügen oder Sonderbeschwerden wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit.
Und nicht nur das: Denn schon das Reichsgericht und ihm folgend der Bundesgerichtshof haben in ständiger Rechtssprechung dem Schuldner mit dogmatisch höchst problematischen Begründungen und unter Überschreitung der Grenzlinien zwischen Privatrechtsschutz und Prozessrechtsschutz eine Klage nach § 826 BGB in Fällen einer sittenwidrigen Titelerschleichung oder rechtsmissbräuchlichen Titelausnutzung seitens des Gläubigers zugestanden. Nach den heute hierzu vertretenen Meinungen soll sich mit dieser Klage nicht nur das normierte Ziel eines Schadensersatzes (Ersatz des Vollstreckungsschadens) oder auch einer Unterlassung des Zwangsvollstreckungsgesuchs des Gläubigers verfolgen lassen, sondern auch das Ziel einer Rücknahme des bereits erfolgten Vollstreckungsauftrags oder der Herausgabe des Vollstreckungstitels.
Die freilich spektakulärste Weiterentwicklung des vollstreckungsrechtlichen Schuldnerschutzes ist durch das deutsche Bundesverfassungsgericht erfolgt. Im Zuge einer fortschreitenden sog. «Konstitutionalisierung» (Verfassungsverrechtlichung), ja «Hyperkonstitutionalisierung» einfachen Verfahrensrechts und hier insbesondere des Zwangsvollstreckungsrechts [2] hat nämlich das Bundesverfassungsgericht auf Grund von Verfassungsbeschwerden (vgl. Art 93 I Nr .4a GG, §§ 13 Nr .8a, 90ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) wegen Grundrechtsverstößen durch Vollstreckungsorgane als Träger öffentlicher Gewalt eine ganze Batterie von – unter Umständen mit Gesetzesskraft ausgestatteten – Entscheidungen zu Vollstreckungseinzelfragen (z.B. Zuschlag, Wohnungsdurchsuchung, Wohnungsräumung, Grundstückversteigerang, Haftanordnung, Unterlassungsvollstreckung, Prozesskostenhilfe) erlassen Dies hat mittlerweile die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht zu einem «Superrechtsbehelf» des Vollstreckungsrechts werden lassen.
Angesichts dieser Entwicklung einer sozialstaatsorientierten fortschreitenden Zurückdrängung von Gläubigerinteressen und einer ausgesprochenen Schuldnerfreundlichkeit des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts kann es nicht verwundern, dass ausländische Beobachter die Bundesrepublik Deutschland geradezu für eine «Schuldneridylle» halten. Auch unter den deutschen sog. «Schuldneranwälten» gilt Deutschland als ein «Paradies für Schuldner». Es erscheint deshalb wieder einmal an der Zeit, eine rechtspolitische Neujustierung des Interessenausgleichs innerhalb des im Zwangsvollstreckungsrechts allgegenwärtigen Konflikts zwischen Allgemeinheits-, Schuldner- und Gläubigerinteressen zu versuchen.
Im Zusammenhang damit sollte man von einem modernen Zwangsvollstreckungsgesetzesrecht auch erwarten dürfen, dass dieses neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie insbesondere solchen zu der Einschlägigkeit allgemeiner zivilprozessualer Verfahrensgrundsätze (resp. Verfahrensprinzipien oder Verfahrensmaximen) im Zwangs voll Streckungsrechts, sowie Befunden wissenschaftlicher Erarbeitung von spezifisch vollstreckungsrechtlichen Grundsätzen Rechnung trägt, und dass es diese Grundsätze als Rechtsorientierungs-, Rechtsauslegungs-, Rechtsfortbildungs-, Rechtsreform-, Rechtsvergleichungs- und Rechtsangleichungshilfen im Gesetz den Detailregelungen voranstellt.
Zu diesen zumindest innerhalb der Prozessrechtswissenschaft mehr und mehr diskutierten Grundprinzipien des heutigen Zwangsvollstreckungsrechts [3] zählen etwa der Prioritätsgrundsatz, der Formalismusgrundsatz, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der Beschleunigungsgrundsatz oder der Effektivitätsgrandsatz.. Hinzukommen die vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Prinzipien der Geeignetheit, Bestimmtheit, Erforderlichkeit, Zumutbarkeit und Angemessenheit vollstreckungsrechtlicher Zugriffe. Was diese und andere Prinzipien angeht, lassen sich diese innerhalb des einfachen Zwangsvollstreckungsrechts als solchem bislang lediglich an normativen Einzelausprägungen und Regelungssplittern festmachen wie etwa an § 803 ZPO (Verbot der Überpfändung), § 806b ZPO (gütliche und zügige Erledigung) §§ 811, 812, 850, 850a, 850c, 850d ZPO (Unpfändbarkeiten, Pfändungsbeschränkungen, Pfändungsgrenzen, Verbote zweck- und nutzloser oder unterwertiger Vollstreckung).
Im Brennpunkt der Diskussionen steht auch wieder einmal das grundlegende Verhältnis von Privatautonomie und Staatsmacht, Parteiherrschaft und Amtsautonomie, auf dem Gebiet der Zwangsvollstreckung. Dies äußert sich namentlich in den Fragen nach Geltung und Umfang des Dispositionsgrandsatzes auf der einen und des Offizialprinzips auf der andern Seite, sowie neuerlich verstärkt auch in den Fragen nach Geltung und Umfangs des Beibringungsgrundsatzes im Gegensatz zum Amtsermittlungs- oder Untersuchungsgrundsatz. Letzteres steht teilweise in einem jetzt vorliegenden «Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung» (Stand: 1.1.2006) zur Debatte, der allerdings bereits vom Deutschen Gerichtsvollzieherbund in einzelnen Punkten kritisiert und mit Änderungsvorschlägen versehen wurde.
Was den weiteren Inhalt des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts, vor allem der Abschnitte 2 (§§ 803–882a ZPO) und 3 (§§ 883–898 ZPO) angeht, gliedert sich der mit «Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen» überschriebene Abschnitt 2 hauptsächlieh in die Sektoren «Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen», «Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte» sowie «Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen», während der Abschnitt 3, überschrieben mit «Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen», keine weitere Untergliederung erfährt. Die hier geregelten unterschiedlichen Vollstreckung(verfahrens)sarten lassen als dominantes Unterscheidungs- und Strukturierungskriterium erkennen, dass es vorrangig um die beiden Fragen geht, wegen welcher titulierter Ansprüche die Zwangsvollstreckung betrieben wird (Zahlungsansprüche, Herausgabeansprüche, Handlungsansprüche, Unterlassungsansprüche) und in welche Vermögenswerte des Schuldners («bewegliches Vermögen», «Forderungen und andere Vermögensrechte», «unbewegliches Vermögen» vollstreckt werden soll. Nehmen sich diese Vollstreckungsarten auch nach Voraussetzungen, Zielen und Verlauf recht unterschiedlich aus, so ist ihnen doch ein grundsätzlich zweistufiges Verfahren in dem Sinne gemeinsam, dass zunächst eine Sicherstellung bzw. Beschlagnahme der Vermögensgegenstände durch Pfändung erfolgt und alsdann gegebenenfalls eine Verwertung durch Versteigerung, Verkauf, Übertragung, Verwaltung oder sonstwie und speziell bei der Grundstückpfändung durch Zwangshypothek, Zwangsversteigerung und Zwangs Verwaltung. Dabei spielt in der Praxis heutzutage längst nicht mehr die Pfändung und Verwertung von Mobiliar des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher die beherrschende Rolle wie es früher vielleicht einmal der Fall war und deshalb vom damaligen Gesetzgeber im Gesetz in den Vordergrund gerückt ist, sondern die Pfändung und Überweisung von Geldforderungen und hier namentlich die Lohn- und Gehaltspfändung durch den Rechtspfleger.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass sich der Deutsche Gerichtsvollzieherbund derzeit mit dem Argument «Effizienzsteigerung» um eine gesetzliche Übertragung auch der Forderungspfändung auf die Gerichtsvollzieher bemüht, um – wie es heißt – wie bislang bei der Sachpfändung künftig auch bei der Forderungspfändung einen «direkten und schnellen Zugriff ohne Zeitverlust» zu ermöglichen. Freilich fehlt es in vielen Fällen gegenwärtig gerade an diesem direkten und schnellen Zugriff ohne Zeitverlust gerade bei der den Gerichtsvollziehern obliegenden Sachpfändung.
Im Abschnitt 4 schließlich (§§ 899–915h ZPO) geht es um «Eidesstattliche Versicherung und Haft», also um einen Regelungsgegenstand von außerordentlicher praktischer Bedeutung deshalb, weil der Schuldner oft die einzige Informationsquelle ist, um seitens des Vollstreckungsorgans und des Gläubigers durch eine erzwungene «Offenbarung» des Schuldners über dessen vorhandenes Vermögen etwas zu erfahren (vgl. §§ 807, 836, 883 ZPO).
Das mir gesetzte Zeitlimit verbietet, auf weitere Einzelheiten des deutschen Zwangsvollstreckungsrechtssystems einzugehen.
Drei generelle Punkte freilich sollen noch kurz erwähnt werden. Das ist zum ersten der allgemeine Charakter und die Machart des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts und die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten seiner rechtswissenschaftlichen Erfassung und juristenberuflichen Handhabung. Dies hat auch mit der verloren gegangenen Kunst der Gesetzgebung in unserer Zeit zu tun.
Wie viele andere deutsche Rechtsgebiete, leidet nämlich auch das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht unter einer offenbar unaufhaltsam wachsenden Übernormierung, Überkomplexität und Überdogmatisierung., also unter Hypertrophien, welche durch massenhafte legislative Neuerungen stetig gesteigert werden. Mit diesen Entwicklungen gehen mancherlei die Gesetzessystematik gefährdende Fehlplatzierungen von Reformvorschriften innerhalb überkommener Gesetzesgliederangen einher und mancherlei Formulierungsschwächen, Textunklarheiten und selbst logische Brüche, wodurch die Operationalität und Praktikabilität des Zwangsvollstreckungsrechts in Mitleidenschaft gezogen sind.
Zudem stehen im Gegensatz zu den heutigen realen Verhältnissen nicht nur im deutschen Sachenrecht als «dingliches» Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sondern ebenso im Zwangsvollstreckungsrechts bei den pfändbaren Gegenständen nach wie vor «Sachen» als Zugriffsobjekte der Zwangsvollstreckung im Vordergrund, während Forderungen und sonstige Rechte, sog. «geistiges Eigentum» (property rights), Erfindungen, Software, Know-how, Namen, Marken und andere Immaterialgüter jedenfalls innerhalb des Zwangsvollstreckungsrechts eine bisher nur klägliche Berücksichtigung erfahren.
Zum zweiten leidet das Zwangsvollstreckungsrecht unter einem folgenschweren rechtshistorischem Relikt und Defizit. Gemeint ist hier der Umstand, dass bis zum heutigen Tag im Gesetz und in der Wissenschaft die «Befreiung» des so genannten «formellen» Prozessrechts und insbesondere des als ganz besonders formell-formalistisch geltenden Zwangsvollstreckungsrechts aus den «Fesseln» des materiellen Zivilrechts noch immer nicht vollständig gelungen ist. Das zeigt sich unter anderem bereits an einer ganzen Reihe im Zwangsvollstreckungsrecht nach wie vor vorfindbarer einstmals vorwiegend zivilrechtlich-materiell verstandener Termini und Institute (z.B. «Anspruch», «Einwendung», «Einrede», «Gläubiger», «Schuldner», «Pfandrecht», «Auftrag», etc.). Diese vom heutigen Standpunkt aus mehrdeutigen Einsprengsel hatten und haben bis zum heutigen Tag unzählige Theoriestreitigkeiten zur Folge deren praktischer Nutzen hier dahingestellt sei. Gestritten wird nach wie vor mit Vorliebe um das «Wesen» und die «Rechtsnatur», einschließlich «Doppelnatur» oder «Zwitternatur», dieser oder jener zwangsvollstreckungsrechtlichen Erscheinung, wobei die verschiedenen Meinungen mal einer zivilistischen, mal einer publizistischen oder mal einer gemischt zivilistisch-publizistischen Theorie den Vorzug geben. Die nicht enden wollenden Diskussionen um die Natur des Pfändungspfandrechts sind hierfür ein besonders abschreckendes Beispiel. Nach wie vor ist auch die Ansicht weit verbreitet, dass im zivilprozessualen Erkenntnisverfahren ein schon vorprozessual existierender materiell-rechtlicher Anspruch durch die richterliche Entscheidung, also durch das hier allein interessierende Leistungsurteil, festgestellt und dieser materiellrechtliche Anspruch – und nicht etwa der gerichtliche Leistungsbefehl (vgl. § 704 ZPO) – für vollstreckbar erklärt und solchermaßen zu einem «vollstreckbaren materiellrechtlichen Anspruch» werde, den es nunmehr im Vollstreckungsverfahren zwangsweise durchzusetzen, zu verwirklichen, zu befriedigen oder in einem materiell-rechtlichen Sinn zu erfüllen gelte. Überall kann man zudem hören und lesen, dass es die Hauptaufgabe bzw. der.Hauptzweck des Zivilprozesses, des Erkenntnisverfahrens ebenso wie des Zwangsvollstreckungsverfahrens, sei, subjektive Privatrechte resp. materiell-rechtliche Ansprüche zu verwirklichen resp. durchzusetzen. Dabei wird ignoriert, dass es nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch ist, über den im Prozess verhandelt und entschieden wird, sondern der so genannte «prozessuale» Anspruch (Gerichtsschutzbegehren des Klägers), und es auch nicht eine Entscheidung über einen materiell-rechtlichen Ansprach ist, die in Rechtskraft erwächst, gegebenenfalls für vollstreckbar erklärt und alsdann gegebenenfalls vollstreckt wird, sondern das über einen prozessualen Anspruch entscheidende rechtskräftige oder für vollstreckbar erklärte Leistungsurteil [4]. Jedenfalls im Zwangsvollstreckungsrecht scheint es, als sei die Vermischung und Verquickung von та-
teriellen und formellen, zivilistischen und publizistischen, privat-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Betrachtungen unüberwindbar.
Was die übliche zivilprozessuale Zweckbestimmung und Aufgabenbeschreibung anbelangt, sei noch nachgetragen, dass diese völlig einseitig an der erstinstanzlichen Leistungsklage orientiert ist und außerdem zur Folge hätte, dass immer dann, wenn ein Zivilprozess nicht zu einer Verurteilung führt oder nach einer Verurteilung nicht zu einer Zwangsvollstreckung oder die Zwangsvollstreckung nicht zu einer Befriedigung des Gläubigers, in all diesen Fällen der Prozess seinen Zweck verfehlt bzw. seine Aufgaben nicht erfüllt hätte.